Kurz vor den Wahlen im Herzen Europas
Brüssel - Politische Bildung und Schokolade
Der DJV Landesverband Bremen hat eine Bildungsreise für Journalisten in Kooperation mit der Bundeswehr, dem Jugendoffizier Patrick Schult organisiert. Zuletzt wurde 2016 eine solche Fahrt angeboten. Da es an der Hochschule Bremen leider keinen Studiengang Journalismus mehr gibt, haben wir DJV-Kollegen aus Niedersachsen und Hamburg eingeladen. Für Libuse Cerna war es die achte Fahrt, die sie ehrenamtlich organisiert hat. Ich habe von der Geschäftsstelle aus meinen Teil zur administrativen Organisation beigetragen und berichte hier aus der Sicht einer Teilnehmerin von der Reise. Brüssel ist eine Stadt mit imposanten Gebäuden und teilweise starken Gegensätzen von alt und neu. Das weltberühmte Atomium konnten wir nur für einen winzigen Moment aus dem fahrendem Bus zwischen den Häuserzeilen erhaschen. Es herrscht ein Verkehrschaos wie in jeder größeren Stadt. Aber in Belgien ist man schon ein Stück weiter als bei uns: Hier stehen an jeder Straßenecke e-Scooter zum Ausleihen bereit. Ja, benutzt werden sie auch! Zunächst ging es zum Supreme Headquarters Allied Powers Europe (abgekürzt SHAPE; deutsch Oberstes Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa) in Mons. Leider gilt auf dem gesamten Gelände - nicht nur im militärischen Bereich - Fotografieverbot. Nach einer Rundfahrt auf dem Stützpunkt wurde uns ein Vortrag über „NATO und Allied Command Operations” präsentiert, im Hinschluss daran die Beantwortung unserer Fragen. Diese jedoch als Hintergrundgespräch. Am Abend trafen wir uns alle in der Lobby unseres Hotels zu einer Vorstellungsrunde. Diese wurde überschattet von den Bilder der brennenden Kathedrale Notre Dame. Unser zweiter Tag stand im Zeichen der Europäischen Kommission. Zum Glück war unsere Unterkunft wirklich nur wenige Schritte entfernt. Das sternförmige Berlaymont Gebäude beeindruckt mit seiner Großzügigkeit, modernsten Sitzungsräumen, ausgestellter Kunst und dem Nobelpreis. Nach einer zügigen „Einführung zu EU-Institutionen“ folgte sogleich eine spannende und informative „Diskussion zum Thema Desinformation im Zusammenhang mit der Europawahl“. Konzentration und gute Englischkenntnisse waren bei „Europa und der zunehmende Rechtspopulismus“ gefragt. Der Besuch der audiovisuellen Studios „Europe by Satellite“ begeisterte uns. Das hier produzierte Bild- und Audiomaterial darf von allen Medien kostenlos und unlizensiert genutzt werden. Sender, die kein eigenes Studio oder Team vor Ort haben, können die Technik ebenfalls kostenfrei nutzen. Eine große Hilfe, gerade für die kleineren (Ost-) europäischen Länder! Kontakt: http://ec.europa./eu/avservices Der geplante Vortrag zum „Brexit“ entfiel leider, nach dem Mittagessen ging es um die „EU-Umweltpolitik und die Umsetzung in Deutschland“. Hier gab es einige kritische Nachfragen zur Umsetzung in der Europäischen Kommission, konkret zu den Einwegplastikflaschen und Pappbechern, die wir angeboten bekamen. Alle Vortragenden in der Europäischen Kommission wiesen uns darauf hin, dass es sich um Hintergrundgespräche handelt, daher können die interessanten und informativen Ausführungen leider nicht zitiert werden. Zum Schluss wurden wir noch auf zahlreiche Angebote und Informationsmöglichkeiten für Journalisten hingewiesen: http://www.europarl.europa.eu/oeil - OEIL-Datenbank des Europäischen Parlaments; Stand der Dinge eines Gesetzgebungsverfahrens, Wo steht die Debatte?, Wichtige Texte und Daten http://europa.eu/newsroom - Suchmaschine zur Themenrecherche, alle Pressemitteilungen der EU-Institutionen http://ec.europa.eu/eurostat - Statistiken zu Wirtschaft, Fiananzen, Bevölkerung, Soziales, Umwelt, Forschung, Landwirtschaft usw. Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin, Ansprechpartner für Presse: Tel. 030/22802000 oder Mail: eu-de-kommission@ec.europa.eu Die anschließende freie Zeit wurde zum Einkauf der berühmten belgischen Schokolade und Besichtigung der Altstadt genutzt. Der dritte Tag startete im Europäischen Parlament. Neben dem imposanten Gebäude liegt der Leopoldpark, in dem Papageien frei leben. Ursprünglich war dort einmal ein Tierpark, an den Skulpturen von Straußenvögeln erinnern. Leider tagten die 751 Abgeordneten zum Zeitpunkt unserer Reise in Straßburg. Der gefüllte Plenarsaal wäre noch beeindruckender gewesen! Leonie Rinke, Mitarbeiterin im Abgeordnetenbüro von Joachim Schuster (SPD) gab uns umfassend Auskunft über den Arbeitsalltag. Eine 24/7-Bereitschaft wird von einigen Abgeordneten vorausgesetzt, von ihrem Chef glücklicherweise nicht. Mobbing und #metoo werden mittlerweile thematisiert. Falls Abgeordnete nicht wieder gewählt werden, verlieren auch deren Büromitarbeiter den Job. In ihrem Vortrag zur „Digitalisierung der Arbeitswelt“ ging es um die Anwendung bereits geltenden Rechts aus der analogen Welt auch im digitalen Bereich. Die Plattformen, welche zwischen Auftraggeber und -nehmer vermitteln, müssen stärker in die Verantwortung genommen werden. Zur Zeit werden soziale Kosten auf die Beschäftigten abgewälzt und oftmals arbeits- und sozialrechtliche Standards und gewerbliche Auflagen umgangen. Das Abgeordnetenbüro arbeitet an einem Entwurf für eine Richtlinie der Europäischen Kommission zur Plattformarbeit. Damit sollen fairer Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie Rechtssicherheit in der digitalen Arbeitswelt hergestellt werden. Beim nächstfolgenden Programmpunkt, dem Besuch der Ständigen Vertretung fiel der Vortrag umfangreich, die Gastfreundschaft eher karg aus. Etwas hitziger wurde die Diskussion im Bezug auf Sicherheitspolitik, konkret der Seenotrettung Mission Sophia. Aber auch hier der Hinweis aufs Hintergrundgespräch. Als Highlight entpuppte sich der letzte Programmpunkt: Im größten ARD-Auslandsstudio erwartete uns der bekannte Hörfunkjournalist Ralph Sina. Nach einer kleinen Führung lauschten wir gespannt den eindrücklichen und farbigen Schilderungen seiner Korrespondentenzeit in Nairobi, Washington und Brüssel. Zum Schluss hatte der bekennende Belgienfan noch einige Buchtipps für alle diejenigen, die schon immer wissen wollten, was Albert Einstein mit der belgischen Königin Elisabeth verband [1] und wie die ehemals belgischen Kolonie Kongo mit dem Bau der ersten Atombombe [2] verknüpft war. Gefüllt mit vielfältigen Eindrücken zu ganz unterschiedlichen Themen ging es zurück nach Bremen.(Text: Christiane Seeger)(Foto: Marcus Schmidt)Die komplette Bilderstrecke ist hier zu finden.[1: Rosine De Dijn - Albert Einstein & Elisabeth von Belgien - Eine Freundschaft in bewegter Zeit] [2: David Van Reybrouck - Kongo]