Diskussion mit der Journalistin und Aktivistin Petra Procházková
Russland und Ukraine heute, ein Erfahrungsbericht
Ansprechpartner*in
Christiane Seeger


Petra Procházková (links) im Gespräch mit Libuse Cerna (rechts).
Die tschechische Kriegsreporterin Petra Procházková war schon Mitte der Neunziger Jahre im Tschetschenien-Krieg im Einsatz. Bei der Geiselnahme von Patientinnen einer Geburtsklinik bot sie sich als Austauschgeisel an. Das russische Spezialkommando erlaubte dieses den ausländischen Journalisten nicht. 1999 gründete sie ein Waisenhaus in Grosny, da sie nicht sicher war, ob ihre journalistische Arbeit etwas bewirkt.
Procházková beobachtet, dass das Interesse am Ukraine-Krieg schwindet, auch in Tschechien: „Wir kennen den Krieg in der Ukraine nur aus den Medien. Wenn über andere Themen berichtet wird, existiert er für uns nicht mehr." Sie beschäftigt sich journalistisch mit den Ursachen des Krieges und glaubt nicht, dass er unvermeidbar war. 2014 wurde die Ukraine nicht so unterstützt wie 2022. Russland habe in der Vergangenheit schon mehrfach Verträge nicht beachtet (z. B. Ossetien). Auf die widerrechtliche Besetzung der Krim hätten andere Staaten reagieren müssen – was sie nicht getan haben. Deutschland hat nach 2014 weiterhin Geschäfte mit Russland gemacht, Nordstream II wurde in Betrieb genommen. Russland hat durch den Gashandel große Reserven geschaffen, die sie bis heute nutzen, so Procházková. Sie meint, Russland habe die Bereitschaft alles für diesen Krieg einzusetzen, bis zum bitteren Ende.
Die Ukrainer seien erschöpft und wünschten sich Frieden, aber nicht um jeden Preis. Eine Abgabe von besetzten Gebieten halte sie für möglich, aber nicht dauerhaft. So eine Abtretung würde niemals anerkannt, es bestünde immer Hoffnung, diese Gebiete zurückzubekommen. Das müsse man sich ähnlich vorstellen wie die Trennung der beiden deutschen Staaten BRD und DDR.
Trumps Vorstellungen seien absurd. Er sehe beide Seiten als gleichrangig an und nicht als Aggressor und Angegriffene. Positiv wäre, dass auch Russland unberechenbar sei. Durch die Handlungen Trumps sei immerhin Bewegung in die Sache gebracht worden.
In osteuropäischen Medien würde mehr über die Friedensbemühungen des saudischen Kronprinzen bin Salman berichtet. Zwar sei Saudi Arabien ebenfalls eine Autokratie, doch bin Salman handle sehr geschickt, findet Procházková. Mit wirtschaftlichen Sanktionen könne der Druck auf Putin verstärkt werden, damit es zu einem Waffenstillstand käme. Solch ein Waffenstillstand könne konserviert werden, bis sich die Lage in Russland ändere. Procházková fürchte sich nicht vor den russischen Panzern, sondern vor den Versuchen der russischen Seite, Europa zu destabilisieren. Die Inflation in Russland läge mittlerweile bei 40 Prozent und nicht bei 9 Prozent, wie von staatlicher Seite verlautbart wird, meint die Journalistin, die selbst nicht mehr in Russland einreisen dürfe. Die Rüstungsindustrie sei die einzige, die noch funktioniere. Als bekennende Pazifistin hofft sie auf den wirtschaftlichen Kollaps Russlands.
Procházková hat 16 Jahre in Afghanistan gelebt und den Versuch die Demokratie dorthin zu exportieren, miterlebt. Europäer lebten in der Gewissheit, dass ihre persönliche Freiheit das höchste Gut sei, sagt sie. In anderen Kulturvorstellungen hätte die persönliche Freiheit eine andere Stellung in der Gesellschaft. Russland sei das Bindeglied zwischen europäischen und anderen Ansichten. Da Putin nicht nur zwei erwachsene Töchter, sondern auch zwei kleine Söhne habe, hofft Procházková, dass er diese Welt nicht zerstören will.
Der DJV Bremen war Kooperationspartner bei dieser Veranstaltung.
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