Literaturfestival Globale
Standing Ovations für Libuse Cerna
Ansprechpartner*in
Christiane Seeger
Das Literaturfestival Globale feiert seinen 18. Geburtstag. Die Eröffnungsgäste Uwe Wittstock (Marseille 1940) und Ronya Othmann (Vierundsiebzig) sprechen über Fluchtbewegungen. Die langjährige Festivalleiterin Libuse Cerna gibt ihre Verantwortung ab.
Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz begrüßt die Anwesenden in der vollbesetzten oberen Rathaushalle. In ihrer Rede spricht sie die Konflikte und sozialen Konflikte auf der ganzen Welt an. Ein gemeinsamer Diskurs und das gesprochene Wort sollte ihrer Meinung nach immer die erste Möglichkeit sein und Waffen die letzte. Man müsse wieder in der Lage sein, zivilisiert zu streiten. Im Hinblick auf die Diskursfähigkeit sei die Literatur so wichtig wie selten. Durch sie öffne sich der Blick auf andere Sichtweisen und Wahrnehmungen. „Jeder, der reflektiert, versteht noch [etwas] von dieser Welt“ und „stellt Wissen gegen Fake News“, so Emigholz. Das Wort müsse im Zentrum einer Auseinandersetzung stehen. Die Kulturstaatsrätin betont, man habe als „City of Literature“ die Verpflichtung, dieser Auszeichnung gerecht zu werden.
Libuse Cerna erinnert an die Anfänge des Festivals. „Hopeless is not an Option - Hoffnungslosigkeit ist keine Option.“ Die Globale verstehe sich als ein Demokratie-Forum, so Cerna und zitiert Anne Appelbaum (Trägerin Friedenspreis des deutschen Buchhandels): „Demokraten aller Länder vereinigt euch!“ Sie leitet über zur „Volljährigkeit“ des Festivals. Daher gebe sie mit gutem Gewissen ihre Verantwortung an Tatjana Vogel und Daniel Schmidt ab.
Carmen Emigholz spricht Libuse Cerna ihren Dank für die langjährige Tätigkeit aus und kündigt eine gesonderte Veranstaltung, um das Wirken Cernas zu würdigen, an. Das Publikum verabschiedet sich mit Standing Ovations. Dank Libuse Cerna habe man das „Who is who“ der Literaturszene in Bremen erleben dürfen, freut sich Cornelius Neumann-Redlin von den Unternehmerverbänden.
Das Autorengespräch von Ronya Othmann und Uwe Wittstock dreht sich um das Überschreiten von Grenzen. Wittstocks Buch „Marseille 1940“ schließt sich an „Februar 33“ an. Frankreich zeigte gegenüber den Exilanten ein großes Entgegenkommen, nach sieben Jahren wurden dann die Grenzen geschlossen und eine große Fluchtwelle innerhalb Frankreichs begann. Juden und Exilanten blieben im Süden, die restliche Bevölkerung kehrte in den Norden zurück. In der sogenannten „unbesetzten Zone“ hatte die Wehrmacht keinen direkten Zugriff auf die Exilanten. Der Schauspieler Alexander Swoboda liest eine Passage über die Flucht Anna Seghers vor. Mit ihren Kindern hatte sie für die Strecke von 90 Kilometern sieben Tage benötigt. Wittstock weist darauf hin, dass Flüchtlinge keine homogene Gruppe seien. Besonders zu beachten seien die finanziellen Hintergründe. In seinem Buch berichtet er von dem wohl erfolgreichsten Fluchthelfer (ca. 2.000 Personen), dem US-Bürger Varian Fry, welcher in der deutschen Öffentlichkeit völlig unbekannt geblieben sei.
Othmanns Buch „Vierundsiebzig“ thematisiert den 74. Genozid an den Jesiden. Die Autorin hat dazu im Nordirak recherchiert, mit Verwandten aus Shingal und weiteren Zeitzeugen gesprochen. Wittstock konnte nur in Archiven und Tagebüchern recherchieren, da seine Protagonisten bereits alle verstorben sind. Nicht alle Flüchtlingsgeschichten habe man in den beiden Büchern unterbringen können. Dieses bedauern beide Autoren. „Man trainiert nicht, Flüchtling zu sein“, resümiert Wittstock.
Libuse Cerna ist Sprecherin des Fachausschusses Europa im DJV Bremen. Der DJV Bremen unterstützte die Veranstaltung als Kooperationspartner.